Traditionspflege
Im Zuge der Völkerwanderung siedelten sich vor mehr als 1400 Jahren slawische Stämme auch in der Lausitz an. Es ist fast ein Wunder, dass sich trotz Germanisierung, Assimilierung und Vermischung mit nichtslawischer Bevölkerung Sprache und Kultur über die Jahrhunderte erhalten haben. Heute ist es den Nachkommen der Stämme „Lusizer“ und „Milzener“, den Sorben bzw. Wenden, zu verdanken, dass die Bräuche und Trachten als Kulturgut weitergeführt werden.
Bräuche haben einen tieferen Sinn. Vielfach entstanden sie angepasst an den bäuerlichen Jahreslauf. Einen wichtigen Platz nahmen dabei Erntebräuche ein. Im Zuge der Christianisierung verschmolzen die uralten heidnischen Sitten mit dem christlichen Glauben.
Im Folgenden sollen einige dieser Bräuche erläutert werden und es wird dargestellt, welche Besonderheiten es in Schmogrow und Fehrow gibt.
Die Spinte – Die Spinnstube - pśěza
Zum Ende der Erntezeit, wenn das Korn eingebracht war und die Tage kürzer wurden, trafen sich die Mädchen des Dorfes zur Spinte, der Spinnstube. Erstmals durften sie nach der Konfirmation daran teilnehmen. Hocker und Spinnrad brachte Jede selbst mit. In der Spinte wurden nicht nur gemeinsam Flachs und Wolle versponnen, sondern auch manche Geschichte aus dem Dorf ausgetauscht, Sagen erzählt und gesungen. Die Kantorka, die Vorsängerin und Spinnstubenälteste, stimmte die bekannten wendischen Volkslieder und Choräle an.
In Schmogrow fand die Spinte oft über Jahre bei den gleichen „Spinteeltern“ statt. Diese sorgten z. B. für die Wärme und erhielten als Dank für die Gastfreundschaft ein Geschenk zum Weihnachtsfest und natürlich waren sie Ehrengäste bei der Fastnacht. In der Spinte herrschte eine strenge Sitzordnung. Die Mädchen versammelten sich entsprechend ihres Alters um die oft einzige Lichtquelle, wobei der Kantorka natürlich der beste Platz zustand.
Wochentags von 18 bis 20 Uhr fand die Spinte statt. Jungen hatten keinen Zutritt. Von 20 bis 22 Uhr erst war die ganze Dorfjugend zugelassen zur so genannten „Rumpelstunde“.
Die jährliche Spinte wurde mit dem Zapust, der wendischen Fastnacht, beendet.
Die wendische Fastnacht - Zapust
Die Fastnacht ist wohl das Fest in der Niederlausitz, das am ausgiebigsten gefeiert wird. Früher dauerten die Feierlichkeiten vielerorts über mehrere Tage. Als Abschluss der Spinte, vor der Frühjahrsaussaat holten die Jungen die Mädchen zum Zapust ab. Dieser besteht aus zwei Teilen: dem Zampern und dem Festumzug.
Das Zampern - Camprowanje
Die Wurzeln des Zamperns liegen in vorchristlicher Zeit. Mit magisch-kultischen Elementen wie Lärm, Maskerade, Rutenschlagen und Tanz sollten Dämonen und Gefahren vom Dorf abgewendet werden. Verschiedene Symbolfiguren waren früher in jedem Zamperzug vertreten: der Bär als Symbol für den abziehenden Winter, der Storch und der Schimmelreiter als Symbole für den Frühling, die Zweigesichtige Frau oder die Doppelfigur „Der Tote trägt den Lebenden“. Diese Zamperfiguren sollten die Kräfte der Natur beeinflussen. Heute haben sie ihre Bedeutung verloren und sind nur noch selten in den lustigen Zampergesellschaften zu finden. Stattdessen zieht die Heischegesellschaft in bunten Kostümen durch den Ort, von Hof zu Hof, um Speck, Eier und Geld zu sammeln. Zum Dank wird mit den Hausherren ein Schnäpschen, ein palenc, getrunken und ein Tänzchen gewagt. Die gesammelten Gaben werden später beim „Eieressen“ verspeist.
Bis heute hat sich in Schmogrow auch der Brauch erhalten, dass die Zamperer mit Weiden- und Birkenruten ausgestattet sind. Mit diesen „Lebensruten“, die die im Frühjahr neu aufsteigenden Lebenskräfte symbolisieren, werden Kinder und Erwachsene berührt.
Der Fastnachtsumzug – Zapustowy pśeśěg
Der Festumzug zum Zapust entstand erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts und ist heute der Höhepunkt der alljährlichen Fastnacht. Die Mädchen des Dorfes tragen an diesem Tag die wendische Festtagstracht. Das Ankleiden wird bis heute zumeist von den älteren Frauen, den Ankleidefrauen, übernommen. Gehörte einst die Haube, die Lapa, unbedingt zur Tracht dazu, ist dieser Kopfschmuck in Schmogrow seit den 1950er Jahren nicht mehr zu sehen. In Fehrow bereicherten 2011 bei der 130. Fastnacht erstmals wieder Hauben die schöne Tracht.
Die Mädchen und Frauen stecken den Männern einen Strauß mit farbigen Bändchen als Erkennungsmerkmal an den Hut oder einen aus Papierblumen gefertigten Zapust-Strauß an das Revers. Nach dem obligatorischen Fototermin setzt sich der Zug in Bewegung. In Schmogrow ist es üblich, dass erst nach dem Eintanzen im Gasthaus und dem Vorlesen der Festordnung die Zusammenstellung der Paare bekannt gegeben wird. Beim Umzug wird verdienstvollen Einwohnern wie Pfarrer oder Bürgermeister, einen Ehrenbesuch abgestattet. Nach dem Ehrentänzchen halten diese oft eine Gabe für die Fastnachtskasse oder einen Imbiss bereit. Der Abend klingt beim Fastnachtstanz im Gasthaus aus. Es ist überliefert, dass zur Fastnacht fleißig getanzt werde, damit der Flachs gut gedeihe. Damit er möglichst lang werde, soll man hoch springen oder mit einem großen Jungen tanzen.
Der Zapust endet mit der Männerfastnacht. Der letzte Tanzabend ist den verheirateten Paaren vorbehalten.
Eine Besonderheit in Schmogrow ist die Kljambaua, ein Schellenbaum. Sie wird beim Fastnachtsumzug von drei Jugendlichen in Gehrock und Zylinder vorangetragen. Auf der Rückseite ist die Jahreszahl 1875 eingestickt, die somit als Geburtsjahr der Schmogrower Fastnacht gilt.
Über Jahrzehnte hat die langjährige Wirtin Anni Marrack, die Kljambaua zwischen den Fastnachten aufbewahrt. Daraus entwickelte sich die Tradition, dass die Wirtin die Kljambaua am Donnerstag vor der Fastnacht an die sechs ältesten Jugendlichen, den Jugendchef und das dienstälteste Vorstandsmitglied übergibt, die sie am Montag nach der Fastnacht an die Wirtin zurückgeben. Diesen Jugendlichen obliegt es auch, die Jahreszahl auf der Vorderseite der Kljambaua zu aktualisieren. (www.schmogrow.de)
Ostern – Jatšy
Die meisten Bräuche der Sorben/Wenden ranken sich rund um das Osterfest.
Sorbische Ostereier - jatšownych jajow
Eine Besonderheit sind die wunderschönen, verzierten Ostereier. Das Ei gilt seit altersher als Fruchtbarkeitssymbol. Deshalb ist der Brauch des Verschenkens von Eiern ein jahrhundertealter Frühlingsbrauch. Das Färben und das Aufbringen von Symbolen und Verzierungen dient nicht nur der Schönheit, sondern ist mit dem heidnischen Glauben verbunden und soll Wünsche übermitteln. Dreiecke um Kreise, so genannte Wolfszähne, symbolisieren Schutz vor dem Bösen. Die Strahlenbündel und Sonnensymbole stehen für die Quelle des Lichts, das alles Leben entstehen lässt. Das Sonnenrad oder die aufgehende Sonne sind solche Zeichen. Das Sonnenrad mit Wolfzähnen geschützt soll dem Beschenkten Lebensglück bringen und wird doppelt geschützt, durch den Kreis und die nach außen gerichteten Dreiecke.
Drei Dreiecke miteinander kombiniert stehen einmal als kirchliches Symbol für die Dreieinigkeit von Gottvater, Sohn und Heiligen Geist oder auch für die Einigkeit der Familie von Vater, Mutter und Kind. Auf den Eiern findet man auch Herzen, die natürlich auch im Sorbischen für die Liebe stehen. Bekommt man von der Freundin oder dem Freund ein Ei mit Herzen und vielen zur Dreierpyramide zusammengesetzten Dreiecken geschenkt, so kann man fast auf den Wunsch einer Heirat schließen. Am meisten verbreitet ist die Wachsreservetechnik Dabei werden mit Nadel und Federkiel Wachstupfen auf das Ei aufgetragen und dieses gefärbt. Wer möchte, wiederholt diese Prozedur auf den Farbschichten solange, bis ein ganz buntes sorbisches Ei gefertigt ist. Gebräuchlich sind weiterhin die Wachsbossier-, die Kratz- und die Ätztechnik. Die älteste Erwähnung von sorbischen Ostereiern stammt aus der Zeit um 1700.
Ostersingen - jatšowne spiwanje
Bis in die 1950er Jahre war das Ostersingen der Mädchen ein weit verbreiteter Brauch in der Lausitz.
In Schmogrow trafen sich die Mädchen zur Passionszeit nach der Spinte. Sonntags zogen sie, gekleidet in der würdigen, schwarzen Kirchgangstracht, durch das Dorf und sangen Choräle, die an den Leidensweg Jesu erinnerten. Höhepunkt war das Ostersingen in der Osternacht, wo die Auferstehung verkündet wurde. Am Morgen des Ostersonntags vor dem Sonnenaufgang erklangen die Gesänge nochmals auf dem Friedhof. Gesungen wurde in wendischer Sprache.
Osterfeuer - jatšowny wogeń
Das Osterfeuer ist nicht nur in der Lausitz bekannt. Am Ostersamstag werden vielerorten große Feuer angezündet, glaubte man doch an dessen reinigende Kraft. Schon Tage vorher wird durch die Jugend Holz gesammelt, um einen möglichst großen Haufen zu errichten – am besten auf einem Hügel. Denn soweit der Schein des Feuers reichte, sollten die Felder fruchtbar sein. In Schmogrow soll das Osterfeuer auf einer Wegkreuzung entzündet worden sein in Erinnerung an die Kreuzigung Jesu.
Der Osterfeuerplatz musste gut bewacht werden, denn immer wieder die Jungen aus Nachbarorten, den Holzstoß vorzeitig anzuzünden.
Osterwasser - jatšowna wóda
Der Brauch des Osterwasserholens ist verknüpft mit dem Glauben an Reinheit und Gesundheit. In der Osternacht vor Sonnenaufgang gingen die Mädchen zum Fließ, um das Wasser zu schöpfen, das Gesundheit, Schönheit und ewige Jugend versprach. Vereinzelt wurden auch das Vieh und Felder mit dem heilkräftigen Wasser besprengt.
Während ihres Weges zum Fließ und zurück durften die Mädchen weder sprechen noch lachen. Die Jungen spielten ihnen aber oft einen Streich und erschreckten die Mädchen, damit diese das Schweigeverbot brachen. Dann brachten sie nur noch „Plapperwasser“ mit nach Hause.
Patengeschenk - pósćonk
Überliefert ist, dass die Kinder am 1. oder 2. Osterfeiertag zu ihren Taufpaten in die umliegenden Dörfer gingen, um sich eine Ostersemmel nebst drei Ostereiern, einem Pfefferkuchen und einem kleinen Geschenk oder einem Geldstück zu holen.
Die Ostersemmel hat ganz verschiedene Formen. In einigen Spreewalddörfern wird sie aus drei Teigsträhnen geflochten und symbolisiert so die Heilige Dreifaltigkeit. Rund um Burg ähnelt sie einem Spreewaldkahn, symbolisiert aber ein Palmenblatt und ist 40 bis 50 Zentimeter lang. Oftmals hatten die Kinder früher mehrere Paten und bekamen so auch mehrere Ostersemmeln. Dann ließ man sie hart werden und bereitete eine Milchsuppe zu. Oder man stippte sie in gesüßten Kaffee oder Milch.
Der Maibaum – Majski bom
Der Maibaum oder die Maizweige, die man sich in die gute Stube stellt, verkörpern den Wachstumsgeist, sollen Gesundheit und Fruchtbarkeit in das Dorf und in die Häuser bringen. Das frische Grün symbolisiert die erneuernde Kraft.
Aufgestellt wird er am Vorabend des 1. Mai. An der Spitze eines meterlangen geschälten Stammes wird eine grüne Birke befestigt und darunter ein Kranz mit bunten Bändern angebracht. Den Stamm zieren oftmals grüne Girlanden. Aufgestellt wird der Maibaum von den jungen Burschen des Ortes und von der Feuerwehr. Das ganze Dorf versammelt sich und es wird bis in die Nacht gefeiert.
In Fehrow wird auch ein kleinerer Kinder-Maibaum aufgestellt.
Erntefest – Kokot
Die Sommerbräuche bei den Sorben/Wenden ranken sich um das Ende der Ernte. Eine gute Ernte entschied nicht nur über den Wohlstand der besitzenden Bauern, sondern auch, ob die ärmeren Leute im Dorf genug zu essen hatten.
Unsere Vorfahren glaubten an Geister der Fruchtbarkeit und der Vegetation in der Gestalt eines Tieres. Dem Hahn, sorbisch „kokot“, sprachen sie Kräfte zu, die Ernte zu beeinflussen. War die Ernte beendet, versteckte sich der Hahn unter der letzten Garbe, um neue Kraft für die nächste Ernte zu sammeln. Diese Garbe wurde von den Schnittern mit bunten Blumen und Bändern ausgeschmückt und dabei wurde gerufen: „Źins jo kokot- heut ist kokot“, was soviel bedeutete, dass an diesem Tag die Ernte abgeschlossen war.
Die Männer bekamen Sträuße aus Ähren angesteckt. Die Mädchen wunden Erntekränze und auch eine große Erntekrone, womit sie das Ende der Getreideernte bekannt gaben. Danach wurde ausgelassen gefeiert; getrunken, gesungen und getanzt.
Hahnschlagen – Zabijaje kokota
Das Hahnschlagen ist der älteste Erntebrauch der Sorben/Wenden. Früher nahmen die Schnitter einen Hahn mit auf das Feld, ließen ihn laufen und fingen ihn wieder ein, um ihn dann mit dem Dreschflegel „totzuschlagen“. Bis zum 17. Jahrhundert wurde der Hahn noch getötet. Heute geschieht das nur noch symbolisch. Der Brauch des Hahnschlagens wird nur noch in wenigen Dörfern der Niederlausitz gepflegt. Eines davon ist Schmogrow:
Dabei versuchen die Buschen mit einem Dreschflegel – ähnlich wie beim Kinderspiel Topfschlagen – auf einen Topf geschlagen. Dabei werden ihnen die Augen verbunden. Wer es schafft, ihn dreimal in Folge zu treffen, ist Erntekönig. Der Hahn befindet sich nicht wie früher in einer Grube unter dem Topf, sondern schaut sich das Spektakel aus einem Korb an. Der erste Erntekönig sucht sich mit verbundenen Augen seine Erntekönigin. Gemeinsam lassen sie den Hahn anschließend frei und die anderen Burschen müssen ihn zu fangen. Um den Wettstreit zu erschweren laufen sie barfüßig. Wer den Hahn fängt, ist zweiter Erntekönig. Das Federvieh wird anschließend versteigert. Die Mädchen des Dorfes ermitteln ihre Siegerin beim Froschkarren mit echten Fröschen.
Nach dem offiziellen Teil werden die Zuschauer mit lustigen Spielen unterhalten. Anfang der 80-er Jahre wurde das Tauziehen der Burschen über die Malxe eingeführt, das sich bis heute erhalten hat.
Hahnrupfen - £apanje kokota
Das Hahnrupfen ist der am weitesten verbreitete Erntebrauch in der Niederlausitz. Auf einem geeigneten Platz im Dorf wird aus Balken eine mit grünem Laub umwundene Pforte aufgestellt, und am Querbalken wird an den Füßen, mit dem Kopf nach unten hängend, ein toter Hahn angebunden.
Die Burschen durchreiten auf Pferden nacheinander die Pforte und versuchen, dem toten Hahn den Kopf abzureißen. Wem das gelingt, der wird als erster König, sorbisch „kral“, geehrt und gefeiert.
Die Burschen, die anschließend die Flügel des Hahnes beim Durchreiten erhaschen, gelten als 2. und 3. König. Die 3 Sieger erhalten große Siegerkränze aus Eichenlaub. Auch hier wählen sich die Erntekönige aus dem Kreis der Mädchen mit verbundenen Augen ihre Partnerinnen aus, um mit ihnen die Ehrenrunde zu tanzen.
Einst wurden Hahnrupfen und Hahnschlagen enbeneinander gefeiert. Mit der Kollektivierung der Landwirtschaft nahm jedoch die Anzahl der Pferde in den Dörfern immer weiter ab. Das letzte Hahnrupfen in Schmogrow hat Ende der 1950-er Jahre stattgefunden.
* Quelle: „Bräuche der Sorben/Wenden in der Niederlausitz“, Herausgeber: Stiftung für das sorbische Volk.